Narzissmus – wenn Selbstliebe krankhaft wird ✔️
Selbstliebe ist wichtig – das wird uns täglich eingetrichtert. Nur, wer sich selbst liebt und achtet, besitzt Selbstbewusstsein und fühlt sich in seiner Haut wohl. Narzissmus – die ausgeprägte Selbstliebe – wird sogar als Erfolgsfaktor im Beruf angesehen. Doch was geschieht, wenn die Selbstliebe krankhaft und zerstörerisch wird? Dann sprechen wir vom Narzissmus als narzisstische Persönlichkeitsstörung. Und die ist sowohl für den Betroffenen selbst als auch die Menschen, die mit ihm leben müssen, alles andere als vorteilhaft.
Was ist Narzissmus?
Im Allgemeinen bezeichnen wir im Alltag ausgeprägte Selbstbewunderung bis zur Selbstverliebtheit als Narzissmus. Dabei ist es typisch, dass der narzisstische Mensch sich selbst als deutlich positiver ansieht, als andere ihn bewerten würden. Es entsteht ein Missverhältnis. In der Selbstwahrnehmung sieht sich der Narzisst als besonders gutaussehend, begabt, erfolgreich und überdurchschnittlich.
Doch gerade aufgrund dieser Selbstverliebtheit ist er nicht kritikfähig und nimmt sich dadurch auch jede Chance, sich weiterzuentwickeln. Er ist also zumeist gerade aufgrund seines Narzissmus keine sehr erfolgreiche Persönlichkeit.
Doch woher kommt der Ausdruck Narzissmus eigentlich?
Narziss in der griechischen Mythologie
Narziss ist eine Figur aus der griechischen Mythologie, von dem in den „Metamorphosen“ von Ovid berichtet wird. Hierbei beschreibt Ovid Narziss als einen eitlen und von sich eingenommenen schönen Jüngling, der derart von seiner eigenen Schönheit überzeugt ist, dass er die Liebe sämtlicher Frauen (und auch jungen Männer) ablehnt, weil sie ihm zu unbedeutend scheinen.
Eine junge Frau, die um seinetwegen zugrunde geht, fleht schließlich die Rache der Götter an und erhält Hilfe: Zur Strafe für seine Eitelkeit verleibt sich Narziss unsterblich in sein eigenes Spiegelbild und findet fortan kein Glück mehr, weil seine Sehnsucht für immer unstillbar bleibt. Das Bildnis seiner selbst, das er in der Wasseroberfläche einer Quelle sieht, lässt ihn nicht mehr los und bleibt für immer unerreichbar. Schließlich stirbt er einen unglücklichen Tod.
Menschen, die an übertriebener Selbstliebe leiden und sich und andere dadurch unglücklich machen, nennen wir daher Narzissten.
Wann ist Selbstliebe krankhaft?
Gesunde Selbstliebe sollte jeder besitzen. Das stärkt das Selbstbewusstsein und prägt unseren Umgang mit uns selbst und anderen positiv. Doch ist diese Selbstliebe zu groß, kann sie krankhafte Züge annehmen. Dann sprechen wir in der Psychologie von einer narzisstischen Persönlichkeitsstörung.
In diesem Fall wächst die Selbstliebe schlimmstenfalls zur totalen Egozentrik und Ich-Bezogenheit. Der pathologische Narzisst hält sich selbst für besser als andere, leistet jedoch meist nur mittelmäßiges – was er in seiner Selbstliebe nicht erkennt. Sein Verhalten ist geprägt von Egoismus und Rücksichtslosigkeit.
Was ist eine narzisstische Persönlichkeitsstörung? ?
Wie der pathologische Name bereits verrät, handelt es sich bei der narzisstischen Persönlichkeitsstörung um eine tief greifende Störung der Persönlichkeit eines Menschen. Dabei ist es wichtig zu wissen, dass der von Narzissmus geprägte Mensch sich zwar einerseits für großartig hält, andererseits jedoch ein mangelndes Selbstwertgefühl besitzt. Aus diesem Grund braucht er die ständige Bewunderung und Anerkennung anderer, um in seinem Selbstbild von Großartigkeit permanent bestätigt zu werden.
Paradoxerweise zeigt sich also das fehlende Selbstwertgefühl nach außen durch übertriebenes Selbstbewusstsein. Meist sind dem Narzissten diese Minderwertigkeitskomplexe selbst nicht bewusst. Sie kompensieren ihr mangelndes Selbstwertgefühl, indem sie sich ständig über andere zu erheben versuchen.Zwangsläufig führt der Narzissmus dazu, dass der Betroffene andere kleinmacht und erniedrigt. Sie dienen nur dem einen Zweck, ihn zu bestätigen. In der Regel fehlt es dem Narzissten an Empathie.
Was sind die Ursachen für eine narzisstische Persönlichkeitsstörung?
Tatsächlich ist es schwierig, die Ursache für Narzissmus bzw. eine narzisstische Persönlichkeitsstörung zu definieren. Sie kann ein unglückliches Zusammenspiel aus genetischen, psychischen und umweltbezogenen Aspekten sein.
Experten vermuten, dass der wesentlichste Faktor für ausgeprägten Narzissmus die Eltern-Kind-Beziehung – vor allen Dingen in den sehr frühen Jahren der Kindheit – ist.
Einerseits kann Narzissmus begünstigt werden, wenn die Eltern dem Kind sehr wenig Anerkennung entgegenbringen oder wenig einfühlsam sind. In diesem Fall flüchtet sich das Kind in einer übersteigerten Selbstwahrnehmung und sucht permanent die Bestätigung seiner Umwelt. Häufiger jedoch scheint Narzissmus auf eine übertriebene Anerkennung seitens der Eltern zu beruhen.
In diesem Fall haben die Kinder früh eine Vorstellung der eigenen Großartigkeit vermittelt bekommen, aber auch die Erwartung der Eltern, dass sie diesem Bild auch gerecht werden. Das Kind glaubt also, es müsse jederzeit besser als andere sein. Und so kommt es zu diesem enorm hohen Anspruch an sich selbst und der Vorstellung, es würde diesem auch entsprechen.
Woran erkenne ich einen Narzissten? ?
Narzissten neigen dazu, sich selbst als besonders großartig zu präsentieren. Sie erzählen von ihren Begabungen und Talenten und neigen extrem zu Prahlereien. Tatsächlich leisten sie jedoch nicht annähernd so viel, wie sie angeben.
Menschen, die unter ausgeprägtem Narzissmus leiden, überschätzen sich meist selbst und reagieren beleidigt, wenn sie das Gefühl haben, andere würden ihre Leistungen und Fähigkeiten nicht entsprechend honorieren. Ohnehin sind Narzissten schnell gekränkt und reagieren überempfindlich auf vermeintliches Fehlverhalten anderer. Die Erwartungen an ihre Mitmenschen, was Anerkennung und Respektbezeugung angeht, sind hoch, sie selbst halten sich jedoch an die eigenen Maßstäbe herzlich wenig – ohne dies erkennen zu kennen.
Narzissten neigen zu häufigem Lügen. Oft können sie selbst Wirklichkeit und Lüge kaum mehr auseinanderhalten. Das Lügen dient dem Zweck, die Anerkennung anderer zu erhalten oder den eigenen Willen durchzusetzen. Sie manipulieren ihre Mitmenschen zu ihrem eigenen Vorteil. Ohnehin sind die Beziehungen zu Menschen, die unter Narzissmus leiden, schwierig: Dem Narzissten geht es immer um sich selbst und die Frage, wie ihm andere nützen.
Neid spielt eine besonders große Rolle. Menschen, die krankhaft narzisstisch veranlagt sind, sind ständig neidisch auf andere und glauben auch, andere seien neidisch auf sie. Sie nehmen Kritik nicht an, sondern glauben zumeist, die Kritik anderer basiere nur auf deren Neid.
Anzeichen für Narzissmus
Zusammengefasst erkennst du an folgenden Verhaltensmustern, dass du es mit einem Narzissten zu tun hast:
- übermäßige Selbstdarstellung
- Prahlerei über die eigenen Fähigkeiten und Leistungen
- übermäßiger Wunsch nach Anerkennung
- Lügen
- Manipulation
- Demütigung anderer
- fehlende Empathie
- übermäßiger Neid
- fehlende Kritikfähigkeit
- Wutanfälle
- geringes Selbstwertgefühl
- ständiger Verdacht, andere seien neidisch
- ständiger Vorwurf, andere würden einen nicht genügend wertschätzen und Anerkennung
- Unfähigkeit, andere Meinungen gelten zu lassen
- Vorstellung, man sei immer das Opfer
- Oberflächlichkeit
Ja, es ist definitiv nicht leicht, mit einem Narzissten zu tun zu haben. Noch schlimmer ist es allerdings, wenn Narzissmus innerhalb einer Beziehung zum Problem wird.
Narzissmus in der Beziehung ?
Innerhalb einer Beziehung ist Narzissmus besonders problematisch. Nicht immer bemerken Menschen, dass sie mit einem Narzissten zusammen sind. Gerade anfangs zeigen sich Narzissten besonders aufmerksam und überhäufen ihren Partner übermäßig mit Zuwendung. All dies dient jedoch nur dazu, sich die Liebe des anderen zu sichern.
Menschen, die unter Narzissmus leiden, steigern sich in eine Liebesbeziehung schnell übermäßig hinein. Sie glauben, sie hätten ihren Seelenpartner gefunden. Entsprechend hoch sind ihre Erwartungen an ihn. Anfangs präsentieren sie sich als perfekten Partner, doch schnell fällt die Fassade. Die Ich-Bezogenheit wird zum Problem.
Dem Narzissten geht es einzig und allein um seine eigenen Bedürfnisse.Die bereits dargelegten Anzeichen für Narzissmus machen sich auch in der Partnerschaft bemerkbar. Der Narzisst wird zum Egomanen, er erwartet permanent Anerkennung und Rücksichtnahme und fühlt sich unverstanden. Ständig musst du ihm sagen und zeigen, dass er großartig ist, und nie ist es ihm genug. Das Jammern und schimpfen wird sich zum echten Problem ausweiten.
Auf Kritik reagiert der Narzisst auch in der Partnerschaft uneinsichtig und gekränkt.
Es ist schwierig, einen Narzissten dazu zu bringen, den Partner als eigenständige Person anzusehen. Unbewusst wird der vom Narzissmus betroffene Mensch immer davon ausgehen, dass der Partner eine Erweiterung seiner selbst darstellt.
Narzissmus in der Beziehung bedeutet häufig Frustration, Streit, Wutanfälle, Vorwürfe, emotionale Erpressung.
Wirklich glücklich wird man mit einem ausgeprägten Narzissten leider selten, da im Gegensatz zu anderen psychischen Störungen die Selbstreflexion fast unwahrscheinlich scheint.
Wie gehe ich mit Narzissten um? ?
Das alles ist schwer zu ertragen. Nicht ohne Grund ist der Lebensweg eines Menschen, der an Narzissmus leidet, übersät von gescheiterten Beziehungen. Auch wenn der Narzisst sich anfangs charmant zeigt und durch sein einnehmendes Wesen oft gut ankommt – immerhin kann er sich präsentieren – führt der Narzissmus immer dazu, dass es früher oder später Probleme gibt. Langfristig sind Narzissten bei ihren Kollegen nicht sehr beliebt und verlieren anfängliche Freunde. Auch Beziehungen scheitern nicht selten am Narzissmus.
Wenn du spürst, dass du es mit einem Narzissten zu tun hast, empfehlen sich folgende Verhaltensweisen:
Der Narzisst will sich groß und bedeutend fühlen. Um das umzusetzen, neigt er oft dazu, andere kleinzumachen. Dafür muss man sich natürlich auch kleinmachen lassen. Gegenüber eines Narzissten solltest du also selbstbewusst auftreten und damit unmissverständlich signalisieren: „Mit mir nicht!“ Gerade im Berufsleben ist dies wichtig, weil der Narzisst dir sonst im Arbeitsalltag das Leben schwermachen wird.
Dabei geht es grundlegend um deine Haltung. Diskussionen und offene Auseinandersetzungen bringen meist wenig, das der Narzisst sich hier wenig einsichtig zeigt und schlimmstenfalls cholerisch werden wird.
Um mit einem Narzissten klarzukommen, braucht es Geduld und Gelassenheit. Wohl dem, dem es gelingt, die Aufschneidereien zu ignorieren und auch bei Gekränktheit und Wutausbrüchen ruhig zu bleiben.
Doch jeder Mensch hat seine persönlichen Schmerzgrenzen. Deine solltest du hier immer gut abstecken. Denn sonst artet der Umgang mit dem Narzissmus des anderen schnell in psychischen Druck aus. Wenn du spürst, dass deine Grenzen übertreten werden, solltest du hier unmissverständlich einen Schlusspunkt setzen.
Sage klar und deutlich, wo deine Grenzen sind, und welches Verhalten du von dem Narzissten nicht zu akzeptieren bereit bist. Gehe nur soweit Kompromisse ein, wie es sich für dich noch gut anfühlt und wie du es vertreten kannst, ohne zu viel aufzugeben. Vergiss bei dem Narzissmus des anderen nie, dass du auch ein Individuum bist, das ein Recht auf eine eigene Meinung und Wertschätzung hat.
Die Menschen, denen es gelingt, mit einem Narzissten dauerhaft eine Beziehung zu führen, weisen zwei Eigenschaften auf: Sie sind gelassen und sie sind diplomatisch. Im Umgang mit jemandem, der unter Narzissmus leidet, ist es schwierig, Kritik anzubringen. Doch jede Beziehung bedeutet auch Arbeit. Über Probleme muss gesprochen werden.
Sei immer vorsichtig, wie du deine Kritik äußerst, denn der Narzisst reagiert schnell beleidigt und aufbrausend. Je besser ihr euch kennt, umso leichter gelingt es dir womöglich, deine Kritik zu verpacken. Bei manchen Menschen gelingt dies mit Humor, bei anderen nur auf eine sehr einfühlsame und vorsichtige Weise. Vermeide harte Konfrontationen und Vorwürfe – eben alles, worauf der Narzisst gekränkt reagieren wird.
Es kann sein, dass trotz dieser Ratschläge das Leben mit dem Narzissmus unmöglich wird. Das Problem ist, dass Narzissten sich selbst als perfekt und unfehlbar halten. Ihr eigenes Verhalten können sie schlecht reflektieren, außerdem fehlt ihnen die Eigenschaft, sich in andere hineinversetzen zu können. Das macht es sehr schwierig, Menschen mit Narzissmus zu konfrontieren und eine Verbesserung herbeizuführen.
Im Gegensatz zu anderen psychischen Krankheitsbildern ist der Narzissmus für den betroffenen selbst kein vordergründiges Problem. Er spürt zwar die Nachteile, die aus dem Narzissmus resultieren, doch bezieht er diese natürlich nicht auf sich. Vielmehr glaubt der Narzisst, die anderen hätten Schuld an den Problemen.
Aus diesem Grund wirkt kaum jemand, der an Narzissmus leidet, selbst therapeutische Hilfe suchen.
Zur Therapie kommt es in der Regel erst, wenn andere Störungen bemerkbar werden. Das ist leider aufgrund der vielschichtigen Problematik des Narzissmus häufig der Fall. Begibt sich eine Person beispielsweise wegen Depressionen in Therapie, wird oftmals ein ausgeprägter pathologischer Narzissmus diagnostiziert. Im Rahmen einer Therapie kann dieser dann auch bewältigt werden. Doch leider kommt es eben meist gar nicht erst dazu.
Für jemanden, der mit dem Narzissmus des Partners, Freund oder Kollegen konfrontiert wird, heißt es manchmal eben, für sich persönlich Grenzen zu ziehen. In einer Beziehung kann dann die Trennung oft nur die letzte Möglichkeit sein, um aus dem ungesunden Teufelskreis auszubrechen. Dies sollte immer dann geschehen, wenn du spürst, dass du unter der Beziehung leidest, dich überfordert fühlst und kein glückliches Miteinander möglich ist.
Fazit ✅
Narzissmus ist leider kein rein mythologisches Problem, sondern macht die zwischenmenschlichen Beziehungen schwierig und oft auch schmerzhaft. Wenn du einem Narzissten begegnest, solltest du immer zu aller erst deine eigenen Emotionen und Bedürfnisse im Auge behalten und Grenzen setzen, wo diese nicht ausreichend respektiert werden.